Sag mir, wo die Warnung war. Wo ist sie geblieben?

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Es ist Donnerstag, der 18. August 2022. In den Morgenstunden entwickelt sich über dem Mittelmeer ein Italientief mit extremen Gewittern über Korsika. Diese erreichen am Vormittag Italien und verursachen massive Schäden. Es gibt auch Todesopfer. Später zieht die Front nach Österreich – in den Medien wird das Ereignis dargestellt, als wäre es komplett unerwartet gekommen. Mehr dazu im Text.

Der „Unfallhergang“

In Österreich ist man derzeit scheinbar noch ahnungslos. Es ist ein sehr heißer Tag und im ganzen Land sucht man Abkühlung am See, im Schwimmbad oder ist einfach in der Natur. Man will den vermutlich letzten so heißen Tag in diesem Jahr noch ausnutzen.

Es ist Nachmittag. Die Gewitter – die im Übrigen von Anfang an mit enormer Geschwindigkeit zogen – klopfen mittlerweile gegen 15 Uhr im Süden Kärntens an die Tür. In „Sturmeseile“ überqueren diese Kärnten und hinterlassen enorme Sturmschäden. Leider sind auch zwei Todesopfer zu beklagen. Während die Front über der Steiermark liegt (enorme Schäden auch in Graz), dehnt sie sich weiter aus und reicht kurzzeitig auch ins Mittelburgenland. Ungebremst eilt die energiereiche Front weiter Richtung Nordnordost.

In dieser Form treffen die Gewitter Niederösterreich. Erneut gibt es massive Schäden und leider sind drei weitere Todesopfer zu beklagen. Zum Glück in ihrer Breite wieder gemindert und somit Wien vom Schlimmsten verschonend durchquert die Gewitterlinie noch das westliche Niederösterreich sowie das östliche Oberösterreich von Süd nach Nord. Dann geht der Gewitterfront über Tschechien die Energie aus.

Wir? Wir wussten von nichts!

Es ist 19:30 Uhr. Die Zeit im Bild beginnt. Berichte von Schäden, Todesopfern und Stromausfällen. Immer wieder – viel zu oft eigentlich – hört man das Wort „unerwartet“. Dasselbe wiederholt sich in der ZIB2. Die Gewitter seien, laut Christa Kummer, unerwartet heftig und an unerwarteten Orten aufgetreten. Das mag für die Prognose vom Vortag am Abend stimmen, doch wenn man das Wetter von den Morgenstunden an beobachtet hat, war klar, dass die Front auch Österreich treffen und potenziell durchqueren wird. Ein bis zwei Stunden vorher hätte man dann auch schon erkennen können, wo das sein wird – denn es war kein regionales Ereignis. Aber das ist nun mal das Problem an einer Wettersendung (welche ich hier überhaupt nicht schlechtreden will), die von den meisten hauptsächlich nur einmal am Tag gesehen wird, vor allem bei so schönem Wetter (… zumindest bis der große Sturm kam).

Warnen? Nicht mit uns!

Die Gewitterlinie nahm, wie bereits gesagt, ihren Ursprung im westlichen Mittelmeer und bewegte sich einige Stunden lang auf Österreich zu. Das konnte man auf Satellitenbildern, Radarbildern und an Windmesswerten aus bereits betroffenen Gebieten mitverfolgen. Schon in den Morgenstunden gab es in bestimmten Online-Quellen Bilder, Videos und Meldungen von Schäden aus Italien und Korsika. Was haben die Verantwortlichen also gemacht, wenn das Ereignis eigentlich auch ohne Prognosen absehbar war? Sich hier auf Wettermodelle auszureden schädigt den Ruf dieser und der Meteorologie. Man hätte definitiv warnen können – sicher eine halbe Stunde vorher, wenn nicht noch eher.

Aber auch einen Tag vorher zeichnete sich das Drama bereits ab. Am Vortag wurde vom „Mitteleuropa Super HD“-Modell der Kachelmann GmbH die Gewitterfront noch weiter östlich vorhergesagt – nämlich das Burgenland treffend. Im Warntext des Dienstes „Meteosafe“, der auf diesem Modell basiert, wurden Windgeschwindigkeiten von 130 km/h wortwörtlich vorhergesagt. Später wurde die Warnung für das Südburgenland dann abgeschwächt, da das Modell die Front weiter westlich berechnete. Am Folgetag wurde die Gewitterlinie von dem besagten Modell kurzzeitig etwas weniger beachtet, doch der letzte Modellauf bevor die Gewitter Österreich trafen (in solchen Fällen meiner Meinung nach der wichtigste Modellauf) hatte den Ablauf sehr gut vorhergesagt. Aber noch einmal: Für Warnungen hätte es keine Prognosemodelle gebraucht.

Eine Warnung wurde auch von der Skywarn Austria in deren Standardformat bereits am Vormittag in den Sozialen Medien veröffentlicht. Diese prognostizierte starke Windböen (bis 100 km/h) quer durch Österreich.

Man hätte also auch im großen Stil warnen können – die Mittel wären in der Meteorologie da. Zu wenige haben es gemacht. Jeder der auf ein Radar geblickt hätte, hätte selbst sehen können, dass die Gewitterfront kommen wird – sie hat nämlich auch ohne Vorhersage des Wettermodells keinen Reisepass gebraucht, um nach Österreich zu kommen.

Das große Misstrauen

Nun zum letzten Problem, dem meiner Meinung nach größten von allen, nämlich das Misstrauen in Warnungen beziehungsweise das Verharmlosen/Missachten von ausgesprochenen Warnungen. Bestes Beispiel dafür ist das Hochwasser in Deutschland im Juli des letzten Jahres. Dort gab es Warnungen, doch sie wurden scheinbar auf hoher Ebene missachtet – dazu sind zwischenzeitlich auch schon Gerichtsprozesse anhängig.

Aber auch die Bevölkerung muss wieder mehr Vertrauen in legitime Warnungen – sofern sie ausgesprochen werden – gewinnen. Die immer gleich groß aufgezogenen Warnungen der Boulevardmedien stumpfen das Empfinden der Menschen leider ab. Diese Medien machen oft ein großes Theater um jede Gewitterlage und lassen echte Warnungen dadurch untergehen. Je mehr Klicks, desto mehr Geld eben. Ebenso ein Problem sind die Massen an Wetterapps, die bei jedem Regentropfen einen Umkreis von 50 Kilometer warnen und bei echten Gefahrensituationen nicht im Stande sind eine Nachricht zu versenden.

Was lernen wir daraus?

Gerade bei Gewittern und Gewitterfronten reicht einmal am Tag den Wetterbericht zu schauen oft nicht aus. Es gibt oft im Minutentakt neue Entwicklungen, die kurzfristig beachtet und dann auch in Handlungen umgesetzt werden müssten. Sachschäden werden nie umgangen werden können – mit einem funktionierenden Warnsystem und genügend Vertrauen in die Warnungen könnten allerdings Personenschäden verhindert werden. Die ganze EU und so auch Österreich hat ein Warnsystem geplant (EU Alert/AUT Alert). Dieses sollte sogar schon im heurigen Sommer in Betrieb genommen werden. Derzeit lässt es noch auf sich warten, aus gegebenem Anlass wird aber aktuell medial wieder verstärkt darüber diskutiert. Die technische Umsetzung und die Effektivität bleiben abzuwarten. Die Menschen müssen dem System dann erst vertrauen lernen und das System muss mit guten Daten gefüttert werden – am Besten automatisiert. Was der Bevölkerung auch vermittelt werden muss ist, dass eine Warnung auch eine Warnung ist, es aber trotzdem keine „Garantie“ gibt, dass das Ereignis eintrifft – was aber die Qualität des Systems nicht mindert. So könnte, wenn man es richtig umsetzt, tatsächlich Abhilfe geschaffen werden.